Trierische Hinweise zu Konstantin (Trier IV)

Karl-Heinz Lewin

 

Konstantinische Ziegelstempel und Münzfunde

Mathias Dumbs fragte sich in ZS 3/2014, „inwieweit Konstantin über Ziegelstempel als Bauherr nachweisbar ist“; „bei seiner Suche fand er keine entsprechenden Nachweise“ [Dumbs 701].

Eine Antwort hierzu hatte ich in ZS 1/2012 geschrieben:

«An der Stelle der heutigen ,Basilika’, der evangelischen ‚Kirche zum Erlöser’, wurde Anfang des 4. Jh. eine Aula Palatina (Palastaula) etwa gleichen Ausmaßes errichtet. Trotz der vielen Umbauten im Mittelalter und der zwei Neuerrichtungen im 19. und 20. Jh. sind noch (einige wenige) Reste der Mauern und des Außenputzes aus römischer Zeit in situ erhalten [K. 138].

„Für die Datierung berufen sich die Gelehrten normalerweise auf eine präge­frische Münze des Jahres 305 n. Chr., die 1937 im Mörtel einer Mauer der Vorhalle eingebettet gefunden worden war.“ Eine „Reihe der Ziegelstempel von ADIV, ARMO, CAPIO und TAIN“ zeigt „Parallelen zu Funden aus dem Kastell Köln-Deutz“. Dieses stammt „aus der Regierungszeit Konstantins des Großen“ [K. 141], genauer aus den Jahren 307–310 [H. 224 f.], so dass plausibel „eine Errichtung der [Palastaula] etwa um die gleiche Zeit“ ange­nom­men wird [K. 141]. „Die an die umgebenden Portiken im Westen anschließenden Räume erhielten nach Aussage der Fundmünzen im Jahre 330/31 [...] ihren Boden. [...] der untere Heizboden der Basilika [wurde] ebenfalls nach Aussage der Fundmünzen erst nach 337/41 gegossen“ [GW 151][Lewin 2012, 141]

Bei der prägefrischen Münze handelte es sich um eine „des in Mailand residierenden Flavius Valerius Severus (305-307)“ [GW 151]. Über das Kastell in Köln-Deutz kann ich allerdings nur mit dem obigen Zitat von Kuhnen bürgen; der zur Zeitstellung des Kastells zitierte Heinen erwähnt die Ziegelstempel nicht.

Die in den obigen Zitaten erwähnten Münzfunde geben uns Hinweise auf Konstantins Vorgänger und Nachfolger.

Fundort

Münzen, Münzherr

Datierung

Quelle

unterste Ziegel­schichten der Vorhalle der Palastaula

Flavius Valerius Severus

305

[GW 151]

Portiken im Westen der Palastaula

Konstantin I.

330/31

[GW 151]

Heizboden der Palastaula

ungenannt, vermutlich Konstantin II.

337/41

[GW 151]

Konstantinische Großkirchen

Ebenfalls zur Zeit Konstantins wurde die sog. Doppelkirchenanlage errichtet, eigentlich eine Vier-Basiliken-Anlage, in der Reihenfolge SW-Basilika (ab 315), SO-Basilika, NW-Basilika. Die Münzfunde, die die Reihenfolge der Bauarbeiten belegen sollten, wurden von den Ausgräbern jedoch nicht sauber dokumentiert.

Die NO-Basilika wurde erst ab 340 gebaut, unter Konstantins Sohn Constans. Nachweislich als Kirche genutzt wurden die beiden Südbasiliken, während für die beiden Nordbasiliken in Frage gestellt werden muss, ob sie jemals fertiggestellt wurden, denn bereits 364 bis 383 wurde an der Stelle der NO-Basilika der sog. Quadratbau errichtet, dessen südliche und nördliche Außenmauern heute noch den mittleren Teil des Trierer Doms bilden. Die Basiliken waren nicht gekuppelt, sondern trugen hölzerne Kastendecken. Auch der Quadratbau trug keine Kuppel. Mit seinen riesigen Granitsäulen (über 1,5 m Durchmesser, 12 m hoch) und den über diesen ‚schwebenden‘ Bögen vor den großen Fenstern wirkte er dennoch leicht und luftig, wie die folgende Abbildung zeigt.


„Trier, Frühchristliche Kirchenanlage, Quadratbau, Innenraumrekonstruktion nach J. N. von Wilmovsky“ [HAW 562, Abb. 16]

Die in der Rekonstruktion zu sehende Seitenwand links ist bis heute erhalten, die Säulen wurden aus den unter dem heutigen Boden liegenden Bruchstücken rekonstruiert, die Bögen der Seitenschiffe und die Ansätze der Bögen des Mittelschiffs wurden bei Restaurierungsarbeiten unter den Putzschichten gefunden. Die geziegelten Bögen sind auf einem gezeichneten Schnitt in meinem Artikel zum Dom in ZS 3/2005 abgebildet [Lewin 2005, 678, Abb. 5; aus Ronig 6].

Die Konstruktion dieses Baus unterscheidet sich deutlich von den kurz vorher erbauten oder nach meiner Vermutung zum Teil nur begonnenen vier Basiliken, deren erhaltene Fundamente manchen Kritikern denen von Marktbasiliken des 1. oder gar des –1. Jh. zu sehr ähneln. Ihre Wirkung entspricht schon fast der späterer byzantinischer Zentralbauten wie der Hagia Sophia in Istanbul oder San Vitale in Ravenna und wird von der Wirkung des gotischen Umbaus kaum übertroffen, wie ein Vergleich mit den Abbildungen in [wikiTrierer Dom] zeigt.

Die Holzdecken der Konstruktion waren allerdings fatal. Wir wissen nicht genau, wann und wie sie entzündet wurden. Trierer Historiker veröffentlichten unterschiedliche Vermutungen, z. B.: 410/11, 428 „oder“ 435 Überfälle / Plünderungszüge der Franken auf Trier [H 369], erneut nach 455 „geplündert und gebrandschatzt“ [H. 370]; 410/11, 419/20, 428 „oder“ 435, 455 Eroberungen durch Franken [K. 58 mit Berufung auf Fredegar]. Ein Regino von Prüm hatte dagegen die Zerstörungen den Normannen im Jahre 882 zugeschrieben. Die erste im Feuer zerborstene Säule wurde 1614 entdeckt [domstein]. Sie liegt seitdem vor der Westseite des Doms als „Domstein“. Die Bruchstücke der anderen drei Säulen fand Theodor K. Kempf in seinen Grabungen von 1943 – 1981 nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs.

Wie datiert man die Trierischen Großkirchenbauten?

Die ersten beiden Basiliken, die wohl auch fertig gebaut wurden, nämlich, die SW- und die darauf folgende SO-Basilika, wurden durch Münzfunde datiert, die nicht ausreichend dokumentiert sind. Heute kann nicht mehr nachvollzogen werden, nach jeweils welcher Münze die Datierung erfolgte. Wir können uns daher nur noch auf die relative Stratigraphie verlassen, die uns die Reihenfolge SW – SO – NW – NO nahe legt.

Bessere Datierungen erhalten wir im Quadratbau. Die römischen Gerüste waren nicht freistehend, sondern wurden in das aufstrebende Mauerwerk eingemauert. Nach Fertigstellung des Baus wurden beim Rückbau der Baugerüste die eingemauerten Teile einfach an der Mauerseite abgesägt. Es blieben also Holzteile der Baugerüste in der Mauer. Bei Restaurationen wurden diese Holzteile entfernt und durch Stein und Mörtel ersetzt. Unter einigen dieser Holzteile wurden Münzen gefunden, „darunter eine Münze des Gratian“ [W 409; 432]. Andere fand man im Boden und unter dem Verputz.

Münzfunde in den Mauern des Quadratbaus

Fundort

Münzen, Münzherr

Datierung

Quelle

unter dem Estrich der Apsis des Apsidensaals unter der SW-Basilika

zwei Antoniniane des Tetricus I.

271–274

[W. 422]

unter dem Unterboden der SW-Basilika

ungenannt

~ 315

[W. 427]

Planierungsschichten unter den Ziegelmörtelestrichen der Vier-Kirchen-Anlage

ungenannt

330–340

[W. 429]

unter dem Holzfußboden einer (Bau-?) Bude an der Ostwand des Quadratbaus

127 Münzen, Konstantin II., Constans

<= 347/48

[W. 431]

Verputz der Schrankenmauer in der SO-Basilika

Valens

367–375

[W. 432]

Mauerwerk des Quadratbaus

Gratian

378/383

[W. 409; 432]

Die Jahreszahlen entstammen der herkömmlichen Chronologie. Man darf sie bezweifeln. Die Münzfunde in den Böden der Palastaula, in den Böden der Vierfach-Basilika sowie in den Wänden des Quadratbaus bestätigen allerdings die Reihenfolge der westlichen Kaiser Tetricus, Flavius Valerius Severus, Konstantin I., Konstantin II., Constans, Valens und Gratian und zeigen, dass diese Kaiser nur in einem Block in der Chronologie verschoben werden können. Ob Diokletian mit ihnen wandern muss, ist aus dem Trierer Material bislang nicht entscheidbar und muss an Hand von Funden an anderen Orten geklärt werden.

Schlussbetrachtung

Die von Konstantin hinterlassene Architektur mag widersprüchlich wirken [Dumbs 702]. Ein Unterschied resultiert wohl daraus, dass er im Falle der Maxentiusbasilika in Rom und der Palastaula in Trier die Baupläne seiner Vorgänger übernehmen konnte, während er selber mit St. Peter in Rom und den beiden Südbasiliken in Trier wieder bescheidener begann. Erst unter seinen Nachfolgern wird mit dem Quadratbau eine neue Entwicklungsstufe erreicht, die den Eindruck späterer byzantinischer Architektur vorweg zu nehmen scheint. Die Beispiele von letzterer tragen jedoch Kuppeln, die man in den Trierer Kaiserthermen auch vorher schon hatte und sogar in den deutlich früher gebauten Barbarathermen (2. Hälfte 2. Jh. [GW 76]) zwar nicht nachweisen kann, aber doch aufgrund der Grundrisse vermuten darf. Dagegen erscheint der Rückgriff auf die Holzkastendächer sowohl in der Palastaula als auch in der Vierbasilikenanlage sowie im Quadratbau als brandgefährlicher architektonischer Rückschritt. Aber diese Konstruktionsweise wurde ausweislich der Münzfunde gewagt, nachdem die Arbeiten an den Kaiserthermen vorübergehend eingestellt wurden [Lewin 2012, 140]. Ich sehe daher keinen Anlass, Konstantin innerhalb der römischen Zeitskala vorzudatieren

Literatur

domstein = http://www.dominformation.de/internet-de/nav/436/43630d84-2e17-2311-eebc-4f18a438ad1b.htm [Seite existiert nicht mehr]

Dumbs, Matthias (2014): Neudatierungen beim Römischen Reich des 3. und 4. Jahrhunderts; in ZS 26 (3) 701-730

GW = Goethert, Klaus-Peter / Weber, Winfried (22010): Römerbauten in Trier; Edition Burgen, Schlösser, Altertümer, Rheinland-Pfalz, Führungs­heft 20; Regensburg

H. = Heinen, Heinz (1996, 52002): Trier und das Trevererland in römischer Zeit; 2000 Jahre Trier, Hrsg. Universität Trier, Band 1; Trier

HAW = Heinen, Heinz / Anton, Hans Hubert / Weber, Winfried (Hrsg., 2003): Im Umbruch der Kulturen - Spätantike und Frühmittelalter; Geschichte des Bistums Trier, Band I; Trier

K. = Kuhnen, Hans-Peter (2001, Hrsg.): Das römische Trier; Führer zu den archäologischen Denkmälern in Deutschland, Band 40; Stuttgart

Lewin, Karl-Heinz (2005): Dom und Liebfrauen zu Trier, 1.690 Jahre Architekturgeschichte? (Trier I); in ZS 17 (3) 670-680; siehe auch https://karl-der-große.de/chronologie/trier1.domundliebfrauen.htm

- (2012): Trierische Spätantike – Noch unchristlich oder schon Phantomzeit? (Trier III); in ZS 24 (1) 125-154; siehe auch https://karl-der-große.de/chronologie/trier3.trierischespaetantike.htm

Ronig, Franz (1982): Der Dom zu Trier; Königstein im Taunus

W. = Weber, Winfried (2003): Archäologische Zeugnisse aus der Spätantike und dem frühen Mittelalter zur Geschichte der Kirche im Bistum Trier; in: HAW 407-541

wiki = https://de.wikipedia.org/wiki/ (Artikel unter den angegebenen Überschriften)

ZS = Zeitensprünge („Zeitensprünge“) - Interdisziplinäres Bulletin; Mantis Verlag Dr. Heribert Illig, Gräfelfing



Karl-Heinz Lewin, Haar: k-h-lewin@t-online.de

Copyright © Karl-Heinz Lewin, 2015, 2019

Zuerst publiziert in: Zeitensprünge 27 (1) 89-93

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